Die Kunst des „es trotz des Vorübergehenlassenkönnens doch erlebt zu haben“.
Der dunkelgelb beleuchtete Rand des Daches einer Tankstelle harmoniert eigenartig mit dem sanften Grauviolett des dahinter liegenden Himmels. Darunter ein rot beleuchteter Rand, der die Szene verstärkt, und sie irreal, virtuell wirken lässt.
Eine Reihe von Pflastersteinen, drei mal elf und eine halbe, links und rechts umrahmt vom Grün eines Wiesenstreifens und einigen vom Spätnachmittagsregen zu Boden gebrachten Blättern eines jungen Bergahornbaums,
führt in die "Hintergärtengasse", die ich, obwohl seit vier Jahren hier lebend, noch nie betreten habe.
Eine stark befahrene Hauptstraße überquerend, blicke ich zurück und sehe die glatte Rinde einer mir unbekannten Birkenart und die schlanke Gestalt des Baumes, den sie beschützt.
Ein Motorrad, dessen handbeschrifteter Drehzahlmesser "Beats per Minute" statt "Umdrehungen pro Minute" zeigt, gelb. Handymasten auf dem Eternitdach eines Gemeindebaus aus den Fünfzigern.
Ein Garten mit einem kleinen Leiterwagenmodell, darauf drei Gartenzwerge mit grotesken Gesichtern, darunter verstreut drei weitere, die Wind und Regen ins Gras geworfen haben.
Ein mitten auf dem Gehsteig vergessener regennasser Einkaufswagen. Der Wind, viel wärmer als die herbstliche Szene erwarten ließe.
Eine Trauerweide mit einem eifrig zirpenden Singvogel darin, der verstummt, als ich mich nähere. Schlanke Äste schwingen im Takt des Windes und lange Blätter schmiegen sich in die Melodie des Abendlichts. Letzte Regentropfen verirren sich von fernen Wolken unter das Blätterdach der Weide und verfließen langsam in der Stille des Lichts, das sie, kaum den Boden erreicht, reflektieren. Die Frage eines Jugendlichen bricht, verwirrt, zerrückt das Empfinden und macht das Du unerwartet bewusst.
Eine Pappel, wie ein Leuchtturm aus Holz und Laub, im Wind.
Pferde aus Stein, das eine mit gestrecktem Hals die Wolken fordernd, das andere mit gespreizten Beinen den Boden erforschend. Sommerwind, stark. Licht. Dunkles Blassrosa, durchsetzt von strukturiertem Grau, in melancholisch tiefes Blaugrau zerfließend, luftgetragen. Innehalten. Ein Vorrangstraßenschild direkt über einer Halteverbotstafel montiert. Ohne Halten rasch weiter; müssen. Ein unbekannter Baum mit dickem Stamm, wohl 200 Jahre alt. Sensibel, Sinne offen, hören... Der vor einer Viertelstunde weggeworfene Kaugummi schmeckt nach. Suche, das Gefühl, hier etwas Besonderes finden zu können.
Die zentimetergroßen Regentropfen am Boden erinnern an die Geschichte eines alten Astronomieprofessors, der eines Tages begann, auf Fotografien des Nachthimmels Sternenkreise zu sehen und verschiedene Theorien für ihre Erklärung entwickelte. Auch die Regentropfen bilden, wenn es nicht zu wenige, aber auch nicht zu viele sind, Tropfenkreise, und das haben die Kollegen des alten Astronomieprofessors auch gesagt, aber ihn hat das nicht gekümmert, denn hinter den Sternenkreisen, da müsse ein ganz bestimmtes, ein noch geheimes Naturgesetz stehen.
Und die Tropfenkreise verdunsten und wenden sich wieder ihrem Ursprung, den Wolken, zu.
Und wieder Wind.