Sonntag, 2. Februar 2003

Nur so wegen der Verhältnismäßigkeiten

Vorausgeschickt: ich bin ein Astronomie- und Spacefreak, seit ich denken kann und diese Themen nehmen nach wie vor einen wesentlichen Teil meiner Aufmerksamkeit in Anspruch. Den allerersten Start eines Space Shuttles 1981, der jetzt verunglückten Columbia, habe ich als Teenager mit fanatischer Begeisterung verfolgt und meine spätere Reise nach Cape Canaveral glich dem, was für andere Leute eine Audienz beim Papst ist. Und auch mein Astronomiestudium hat diese Haltung nicht gerade abgeschwächt. Trotzdem kann ich nicht umhin, die Resonanz der Medien zum aktuellen Unglück ähnlich zu empfinden wie jene zum Anschlag vom 11.9.2001: als unverhältnismäßig dick aufgetragen. Sicher, sieben Menschen haben den Tod gefunden, eine Menge Geld ist in Rauch aufgegangen und für die US-amerikanische Raumfahrt ist dieses Ereignis ein schwerer Schlag. Aber genügt das, um stundenlange Sondersendungen in fast allen TV-Sendern, die Titelseiten der wichtigsten Tageszeitungen und Diskussionrunden im Radio zu rechtfertigen? Ganz zu Schweigen von dem Traffic, den die NASA-Websites derzeit ertragen müssen (Nein, über DIESE Pageviews freuen die sich sicher nicht). Und dann auch noch die willkürlich-mutmaßlichen Querverbindungen zum Terror und die der traditionell-arabischen Denkweise des irakischen Regimes durchaus angemessene Stellungnahme mit Worten wie "Rache Gottes". Oschreckoschreck. Dass am gleichen Tag mehr als drei Mal so viele Palästinenser und Israelis bei den "üblichen Auseinandersetzungen" ums Leben gekommen sind, war bestenfalls eine kleine Randnotiz wert. Stimmt schon: würde alle drei Tage ein Shuttle explodieren, dann würde auch kein Hahn mehr danach krähen, aber muss Medienberichterstattung wirklich unbedingt auf dem Spiel zwischen seltener Sensation und fadem Abgestumpften bestehen? Unabhängig von den eigentlichen Inhalten? Ich meine, wenn täglich eine Atombombe explodieren würde, die 500.000 Menschen das Leben kostet, würde man dann auch nur mehr am Rande davon erfahren? Wahrscheinlich. Sehr wahrscheinlich.

 
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Aktualisiert: 07.04.20, 11:16
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