Dienstag, 24. Mai 2011

Das Bild ist unscharf

Über meinem linken Auge klebt ein großes, fleischfarbenes Pflaster, schon seit Wochen, und der Geruch des darunter befindlichen Klebstoffs hat sich längst mit meinem Schweiß und meinen Tränen vermischt. Ich bin vier Jahre alt und mein rechtes Auge ist so stark fehlsichtig, dass ich als Säugling nie gelernt habe, etwas mit dem Licht und den Farben und den Formen anzufangen, die ich ihm zeigte, während ich mit dem anderen Auge die Welt erforscht habe.

Vor mir steht ein Schwarzweiß-Fernseher und ich kann schemenhaft erkennen, wie noch schemenhaftere, weiße, dicke Figuren über eine graue Ebene hüpfen, wie seltsame Grashüpfer in einer fremden Wüste. Meine Mutter neben mir sagt "Schau hin, schau, das sind die Astronauten auf dem Mond. Schau!" Ich spüre, dass da etwas Besonderes passiert und auch, dass alle wissen, dass es das ist. Und ich erinnere mich, das schon gesehen zu haben, vor langer Zeit, denn für einen Vierjährigen ist die Zeit immer lang.

Es ist 1971. Irgendetwas war damals in der Luft. Irgendetwas, das mich seither mit einer fortwährenden Sehnsucht nach dieser Zeit erfüllt. Etwas, das so stark und so gut ist, dass sogar ein Monate lang nutzlos verklebtes Auge und ein damals damit verbundenes Leben mit 95%iger Blindheit keine schlechte Erinnerung ist.

Manchmal schwingt diese Erinnerung in mir mit einem Gefühl wie diesem hier, vertont ebenfalls 1971, von Funkadelic:

 
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Aktualisiert: 07.04.20, 11:16
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