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Freitag, 20. Januar 2006
Ein seltsamer, schwarzer Strich Trurl, 20.01.2006, 00:14h
Ob die Dienst habende Dame der öffentlichen Buchrückgabestelle ihn wohl bemerkt hat, diesen aus der Perspektive eines als Fünfter in einer Schlange von Buchrückgabewilligen leicht verwischt aussehenden, eigentlich viel zu dunklen, etwa einen kleinen Finger langen Strich, der da ein gutes Stück unterhalb ihres rechten Auges den Besuchern der Bibliothek eine Art beschämtes "Entschuldigen Sie bitte den unpassenden Ort meiner Präsenz" entgegen wirft? Unwahrscheinlich, wo es sich doch ganz offensichtlich um eine Art Toilettfehler handelt, den eine gewissermaßen im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehende Dame - Anfang Vierzig, sehr schlank, mit gepflegtem Äußeren und aufwändiger Frisur - nie auch nur eine Sekunde lang zulassen würde. Also muss dieser, die blond gelockten Haare übrigens stark kontrastierende Schatten unter dem rechten Auge passiert sein, nachdem seine Trägerin zuletzt die Gelegenheit hatte, ihr Gesicht in einem Spiegel einer Prüfung zu unterziehen. Derzeit ist die Dame von der Buchrückgabestelle aber ohnehin mehr mit der Prüfung der noch ausstehenden Buchrückgaben des vor ihr stehenden Herren mittleren Alters beschäftigt, welcher, unterstützt von dezenten Gesten, einen scheinbar überdurchschnittlich komplexen Sachverhalt zu erläutern versucht, der für mich, wahrscheinlich glücklicherweise, akustisch nicht verständlich ist. Dabei ertappe ich mich, wie ich diesen schwarzen Strich mit einem viel zu beiläufigen Schielen fixiere - ich bin unverändert Fünfter in der Reihe und daher für Ablenkungen aller Art sehr empfänglich - was mich zu einem raschen und nicht minder auffälligen Wechsel meiner Blickrichtung veranlasst. Woraufhin mein Blick direkt mit dem einer dunkelhaarigen Frau Ende Zwanzig in der Schlange zwei Reihen neben mir kollidiert, die offenbar gerade selbst nicht so recht weiß, welchem Punkt der Bibliothekshalle sie ihre Aufmerksamkeit schenken soll. Ich wechsle meine Blickrichtung also abermals, etwa 30 Grad nach rechts oben, wo ich die Wahrscheinlichkeit eines neuerlichen ungewollten Anstarrens aufgrund früherer Beobachtungen - ich bin Stammbesucher dieser Bibliothek - für besonders unwahrscheinlich erachte. Aber nein, ausgerechnet heute verlangt die an dieser Stelle montierte Deckenbeleuchtung nach einer Wartung, die einen auf einer Leiter stehenden Haustechniker mit blauem Arbeitsanzug, grauen Schläfen und düsterer Mine zur Folge hat. Der natürlich exakt in diesem Moment nicht in Richtung seiner auszutauschenden Neonröhre, sondern genau in meine Augen blickt, und sich, leicht erschreckt, fragt, was es da wohl zu glotzen gibt. Gut, starre ich eben auf den Boden. Das Betrachten eines geometrischen Musters auf glatten, großflächigen Böden kenne ich noch aus der Zeit, als ich meine Eltern regelmäßig zur Samstagabend-Messe begleitet habe, nur dass der Boden dort aus geschliffenem Stein bestand, seiner Regelmäßigkeit nur durch da und dort eingesetzte Grabsteine beraubt, und dieser hier seine Existenz einem fortschrittlichen Erzeugnis der Kunststoffchemie verdankt. Trotzdem eröffnet dieses architektonische Beispiel eines abgeklärten Modernismus durchaus interessante Einblicke in die Ästhetik der ausgehenden 1990er-Jahre, zeigt der Boden doch eine Musterung, die auf den ersten Blick noch wie eine Laune seines Herstellungsprozesses wirkt, sich bei eingehender Betrachtung aber doch als überaus durchdachte Formenvielfalt erweist, die einer komplizierten mathematischen Funktion zu folgen scheint. Das ist auch sehr gut so, weil mir durch diese Tatsache gar nicht aufgefallen ist, dass ich bereits der Zweite in der Schlange bin und daher dem schwarzen Strich der bewussten Dame ein so erhebliches Stück näher gerückt bin, dass es schon einer gehörigen Ablenkung bedarf, um sie nicht anzustarren. Was also tun? Sie doch darauf aufmerksam machen? Bloß, wie? "Ähem, ich glaube, Sie haben da einen Toilettfehler." "Na, heute noch nicht in den Spiegel geblickt?" "Könnten Sie kurz mit mir nach hinten gehen, dann zeig ich ihnen was." Furchtbar. Alles falsch, wie mans auch dreht und wendet. Ähnliches haben sich wohl auch die 1000 anderen Menschen gedacht, welche die Dame von der Buchrückgabestelle heute schon mit ihrem schwarzen Strich gesehen haben. Ich bin dran. "Nur diese Bücher retour, bitte."
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Aktualisiert: 07.04.20, 11:16 Youre not logged in ... Login
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