Dienstag, 21. Juni 2005

Das Kreuz mit den Wiener Gemeinderatswahlen

Ja, es ist ein Kreuz. Aus grob aus dem Vollen gespaltenem schwerem Eichenholz, mit unzähligen unsauber entfernten Astresten, die einem beim Tragen in den Rücken stechen.

Derartige Metaphern fallen mir jedenfalls ein, wenn man sich so seine Gedanken macht über die Für und Wider der wahlwerbenden Parteien, deren Kandidaten, den Wahlprogrammen und dem, was die führenden Parteimitglieder derzeit (und wohl erst recht in den kommenden Monaten) so an Sätzen und Sagern unter die Medien bringen. Und versucht, all das mit den eigenen Überzeugungen, Vorstellungen, Idealen und Visionen mehr oder weniger gut zur Deckung zu bringen.

Nun habe ich - hoch erstaunt - dieser Tage ein Magazin einer der wahlwerbenden Parteien erhalten, in dem sich eine als Teil des Wahlprogramms formulierte Forderung befindet, die tatsächlich zu 100% (und ich bin mit derartigen Prozentangaben sehr pingelig) meinen Vorstellungen, Bestrebungen, Wünschen und Hoffnungen entspricht. Es ist wie in einem all zu schönen Traum: endlich vertritt eine politische Partei in einem für mich sehr wichtigen und meiner Ansicht nach seit Jahrzehnten stark vernachlässigten Punkt exakt meine Position und schwimmt dabei auch noch mutig gegen den Mainstream.

Fantastisch.

Gut möglich, dass ich mich hiermit bereits als langjähriger Grünwähler geoutet habe, falls nicht, sei hiermit geklärt, dass das i.A. auch tatsächlich zutrifft.

Dumm nur, dass sich besagter Artikel nicht in einem der grünschattierten, chlorfrei gebleichten Wahlmagazinen der Wiener Grünen findet, sondern in einem Blatt der FPÖ-Wien. Einem - man muss das ob der unübersehbaren Personenbezogenheit des aktuellen Zustands dieser Partei so sagen - H.C. Strache-Magazin.

Eingebettet in einen wahren Moloch der hier leider üblichen xenophoben Billigst-Polemik findet sich eine ganze Seite zu eben jenem Thema, das mir so sehr am Herzen liegt und das in diesem Heft derart perfekt behandelt wird, dass ich das instinktive Bedürfnis habe, zu Herrn Strache zu gehen und ihm persönlich dazu zu gratulieren, ja ihm sogar meine diesbezügliche Mitarbeit anzubieten.

Zur Klarstellung: In diesem Magazin finden sich auch (und vor allem) Headlines wie "Vorsicht: Türkei-Falle!", "Keinen Cent mehr für die EU", "Alles T(Euro)", "Wien darf nicht Istanbul werden", "Asylbetrug ist schwarz", "Asylskandal" und ein unfassbarer Cartoon, in dem sich Strache als Superheld darstellen lässt, der dem Häupl zeigt, wo es in Sachen Ausländerintegration lang zu gehen hat. All das löst in mir höchstens eine unangenehme Mischung aus Belustigung, Schrecken und nackter Furcht vor der leichten Beeinflussbarkeit der Massen aus.

Und trotzdem ist da ohne jedes Wenn und Aber auch dieses Thema zu finden, für das ich weiter oben das Wort "fantastisch" benutzt habe. Für mich ist es keine Frage, dass das Thema und der in diesem Heft dazu gehörende Artikel durch die anderen darin befindlichen Stories nicht schlechter oder besser wird.

Aber: genügt das, um sich auf einen - man möge mir diese drastische Metapher verzeihen - "Pakt mit dem Teufel" einzulassen?

Es gibt noch ein zweites, mir sehr wichtiges und vor kurzem innenpolitisch brandheißes Thema, bei dem ausgerechnet H.C. Strache als definitiv einziger Rufer in der Wüste gegen einen extrem mächtigen Strom geschwommen ist, und zwar mit Argumenten, die sich weitgehend mit meinen eigenen decken. Reicht das, zwei Themen, wo man ganz wesentlich mehr Übereinstimmung findet als bei irgendeiner anderen Partei (oder einer ihrer Vertreter), um alles andere, was diese Partei sonst noch so vertritt, in Kauf zu nehmen?

Nein, es reicht natürlich nicht.

Aber es reicht, um sich wieder einmal Gedanken über die eigenen Vorurteile zu machen.

 
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Aktualisiert: 07.04.20, 11:16
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